Unser Kolumnist Jochen Martin-Gutsch plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit Verschwörungstheoretikern. (Berliner Zeitung)
Berlin – Vor ein paar Tagen habe ich mir auf YouTube ein Video angesehen: Eva Herman, die Ex-„Tagesschau“-Sprecherin, interviewt Xavier Naidoo, den Ex-DSDS-Juror. Es ist leider völlig unmöglich das 45-minütige Gespräch zusammenzufassen. Sozusagen den inhaltlichen Kern herauszuschälen. Aber irgendwie ging es um Corona.
Xavier Naidoo: „Jetzt sehen die Menschen gerade, was Bill Gates und unsere Regierung im stillen Kämmerlein geplant haben, um die neue Weltordnung einzuführen. Die totale Kontrolle. Den wunderschönen Chip, der uns ja schon aus der Offenbarung bekannt ist, in die Haut einzusetzen. (…) Die Schweden fangen schon damit an.“
Der Chip? Die Offenbarung? Die Schweden? Das Schöne an diesem Gespräch ist nun, dass es irgendwie sehr lustig ist. Weil hier zwei Menschen mit großer Ernsthaftigkeit und in dem Bewusstsein, über geheimes Wissen zu verfügen, total wirres Zeug reden. Xavier Naidoo: „Das Nadelöhr ist Deutschland. Die müssen alle hier anklopfen und den Friedensvertrag aushandeln. Dann könnte eine neue Weltordnung entstehen.“ Das Nadelöhr ist Deutschland? Da fing ich an zu grübeln.
In den letzten Tagen wurde sehr viel über Verschwörungstheoretiker berichtet. Wie sie unsere Demokratie gefährden, unser Land, wie sie die Massen beeinflussen. Manchmal kam es mir ein bisschen übertrieben vor. Übertrieben ängstlich. Zuweilen konnte man den Eindruck haben: Der Umsturz steht kurz bevor! Ausgeführt von Xavier Naidoo, dem Ex-Radiomoderator Ken Jebsen und dem veganen Koch Attila Hildmann – dem Ratpack der Apokalypse.
Ein bisschen Gelassenheit in Zeiten der Hysterie fände ich ja nicht schlecht. Zuweilen auch: gesunde Ignoranz. Früher sagte man zum Beispiel: Ach, das ist ein Spinner. Heute ist der Spinner ein „Verschwörungstheoretiker“, ein Begriff, der den Spinner aufwertet, ihn adelt, weil „Theoretiker“ nach Theorie klingt, also ein intellektuelles Durchdringen von Sachverhalten suggeriert. Schaut man sich dann ein Video von Attila Hildmann an, wird schnell klar: Der ist einfach nur eine arme (vegane) Wurst. Aus einem Hildmann-Video vor ein paar Tagen: „Recherchieren Sie mal, was für ein Satanist Bill Gates ist! Was die ID 2020 ist und was die ID 2020 mit dem Satanisten Gates und der NWO gemeinsam hat.“
Das habe ich dann nicht gemacht, weil ich ja immer noch über den Satz von Xavier Naidoo nachgrübelte, wonach „Deutschland das Nadelöhr“ sei. Meinte er das metaphorisch? Eine beliebte Verschwörungstheorie im aufgeklärten Bürgertum ist die Idee von der „Pharma-Lobby“, die die Menschen mit Medikamenten vergiftet. Aus Profitgier. Deshalb ist es besser, homöopathische Globuli zu schlucken! Also Kügelchen, die, rein wissenschaftlich betrachtet, aus nichts als Zucker bestehen. Aber Wissenschaft ist eben auch unter aufgeklärten Menschen, die andere gern als „Aluhut-Träger“ bezeichnen, ein sehr dehnbarer Begriff.
Oft wird ja jetzt gefragt: Wer hat das Coronavirus erfunden? Wer steckt hinter der Pandemie? Nun, mein Kollege Maxim Leo ist heute Journalist. Früher aber war er: Chemielaborant. Vor ein paar Jahren reiste Leo dann auch nach China. Nach Wuhan? Ins Labor? Vermutlich. Fakt ist: Auf dieser Reise lernte Leo den ZDF-Moderator und „System-Medien“-Vertreter Christian Sievers kennen. Alles nur Zufall? Oder Teil des Plans? Aber es kommt noch besser: Mit wem arbeitete Leo als Chemielaborant zusammen, damals an der Akademie der Wissenschaften? Mit Angela Merkel! Vor ein paar Jahren besuchte Leo im „Urlaub“ auch die USA. Wer aber lebt in den USA? Bill Gates, der Satanist! Verdammt viele Zufälle, oder? Wenn man dann noch bedenkt, dass Leo einen jüdischen Hintergrund hat und seine dritte Freundin Corinna hieß …