Unser Kolum­nist Maxim Leo wehrt die Vor­wür­fe sei­nes Kol­le­gen Gutsch ab. Und bringt sei­ne eige­nen Theo­rien zum Gel­ten. (Ber­li­ner Zeitung)

Ber­lin – Letz­te Woche schrieb mein bis dahin geschätz­ter Freund und Kol­le­ge Jochen Gutsch aller­hand ver­leum­de­ri­sche Din­ge über mich. Ich weiß nicht, ob Sie, lie­be Leser, das mit­be­kom­men haben, vie­le von Ihnen lesen ja aus ver­ständ­li­chen Grün­den nur mei­ne Kolum­nen. Also, ich fas­se das noch mal kurz zusam­men: Gutsch schrieb, ich sei ver­mut­lich der Mann, der das Coro­na­vi­rus in die Welt gebracht hat. Weil ich mal Che­mie­la­bo­rant war, weil neben mir im Labor in der Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten Ange­la Mer­kel saß und weil ich mal Ame­ri­ka besucht habe.

Ich weiß, das klingt unglaub­lich an den Haa­ren her­bei­ge­zo­gen, aber, ganz ehr­lich, klin­gen Gutschs Tex­te nicht immer so? Trotz­dem habe ich mich gefragt, war­um tut Gutsch so etwas? Ich mei­ne, klar, es kann Neid sein. Betrach­ten wir die Fak­ten: Ich sehe bes­ser aus als er. Mei­ne Kat­ze sieht bes­ser aus als sei­ne Kat­ze. Und sogar mein Auto sieht bes­ser aus als sein Auto.

Ich den­ke aller­dings, dass etwas ande­res dahin­ter­steckt. Gutsch benutzt ganz offen­sicht­lich eine Tak­tik, die schon oft von Geheim­diens­ten, Staats­ober­häup­tern und schlau­en Ehe­frau­en ange­wen­det wur­de: Er insze­niert ein klei­nes Feu­er­werk, um von etwas ande­rem abzu­len­ken. Ein berühm­tes Bei­spiel ist Bill Clin­ton, der im August 1998 den Al-Qai­da-Füh­rer Osa­ma Bin Laden mit Marsch­flug­kör­pern angrei­fen ließ, um sei­ne Affä­re mit der Prak­ti­kan­tin Moni­ca Lewin­sky in Ver­ges­sen­heit zu brin­gen. Oder: Wuss­ten Sie, dass Karl Lau­ter­bach, Gesund­heits­exper­te der SPD, in den Talk­shows nur des­halb so häss­li­che Socken trägt, weil er von sei­ner CH-SCH-Schwä­che ablen­ken will?

Ja, die Geschich­te ist voll von sol­chen Bei­spie­len. Nun wer­den Sie, lie­be Leser, sicher fra­gen: Aber wovon will denn Gutsch ablen­ken? Eine abso­lut berech­tig­te Fra­ge, die uns direkt ins Zen­trum des Pro­blems führt. Dem vor­an­ge­stellt sei­en aber ein paar Beob­ach­tun­gen, die ich in den letz­ten Jah­ren gesam­melt habe. Wie eini­ge viel­leicht wis­sen, ken­ne ich Gutsch schon seit unse­rer gemein­sa­men Schul­zeit in der 30. Poly­tech­ni­schen Ober­schu­le „M.W. Lomo­nossow“, von vie­len auch „das Har­vard des Ostens“ genannt. Gutsch war ein begeis­ter­ter Fuß­bal­ler, und auch wenn er nie mei­ne Qua­li­tät erreich­te, so gab er sich doch red­lich Mühe, bei den Spie­len im See­park mit­zu­hal­ten. Auf­fäl­li­ger als sei­ne Spiel­kunst war hin­ge­gen ein Umstand, der uns alle immer wie­der stut­zen ließ: Gutsch schwitz­te nicht.

Das allein hät­te mich nicht beson­ders beschäf­tigt, wenn nicht spä­ter noch ande­re Din­ge hin­zu­ge­kom­men wären. Denn je älter Gutsch wur­de, des­to schma­ler wur­den sei­ne Augen. Auch sei­ne Haut war auf­fäl­lig gelb. Gar nicht zu spre­chen von sei­nen Haa­ren, sehr schwarz, sehr voll, sehr glatt. Scherz­haft nann­ten ihn man­che „der Chinese“.

Also, lie­be Leser, miss­ver­ste­hen Sie mich bit­te nicht, ich möch­te hier um Got­tes Wil­len kei­ne Ver­schwö­rungs­theo­rien ver­brei­ten. Ich wür­de noch nicht mal behaup­ten, dass ich mir abso­lut sicher bin, aber ich den­ke, fol­gen­des Sze­na­rio könn­te sich genau so abge­spielt haben: Stel­len sie sich vor, ein Baby wird im Dezem­ber 1971 in der chi­ne­si­schen Pro­vinz­haupt­stadt Wuhan gebo­ren. Das Baby sieht selt­sam aus, wes­halb es von sei­ner Mut­ter Jochen genannt wird, was auf Man­da­rin „drei­bei­ni­ge Rat­te“ bedeu­tet. Als der klei­ne Jochen drei Jah­re alt ist, sucht der chi­ne­si­sche Geheim­dienst nach Kin­der-Agen­ten, die in den Wes­ten ent­sandt wer­den kön­nen, um gehei­me Ter­ror­an­grif­fe durch­zu­füh­ren. Der klei­ne Jochen wirkt zumin­dest für asia­ti­sche Ver­hält­nis­se ziem­lich euro­pä­isch, wird in einer Kin­der-Kaser­ne zur Kil­ler­ma­schi­ne aus­ge­bil­det und einer ost­deut­schen Fami­lie untergejubelt.

Bis dahin klingt alles logisch. Aber ist es wirk­lich vor­stell­bar, dass der klei­ne Jochen die gan­zen Jah­re ein Amu­lett trug, auf dem SARS-CoV‑2 stand? Ich weiß nicht, das kommt mir irgend­wie kon­stru­iert vor.

24.05.2020 – Maxim Leo