Mein Ruf ist gera­de nicht der bes­te. In den Zei­tun­gen steht, ich sei ein gewis­sen­lo­ser Aus­beu­ter, im Inter­net kur­sie­ren Hass­brie­fe gegen mich. Ver­mut­lich ist es nicht beson­ders schlau, mich gera­de jetzt zu outen. Ich tue es trotz­dem, weil es das eine oder ande­re zu klä­ren gibt. Denn: Ich bin ein Vermieter.

In Ber­lin wird ein Mons­ter erschaf­fen – und das heißt Vermieter

Vor zwan­zig Jah­ren wur­den mei­ne Frau und ich von einer befreun­de­ten Fami­lie gefragt, ob wir zusam­men mit ande­ren Fami­li­en ein total run­ter­ge­kom­me­nes Miets­haus kau­fen wol­len. Ich war dage­gen. Denn, ganz ehr­lich, ich hat­te einen Rie­sen­schiss davor, einen hohen Kre­dit auf­zu­neh­men, sämt­li­che Erspar­nis­se ein­zu­set­zen und für jeg­li­ches Risi­ko lebens­läng­lich haft­bar zu sein. Mei­ne Frau Cathe­ri­ne dage­gen, im Kapi­ta­lis­mus groß­ge­wor­den, kraul­te mir beru­hi­gend das Köpf­chen und sag­te: „Sei stark, mein klei­ner, furcht­sa­mer Ost­ler. Wir schaf­fen das!“

So wur­de ich Vermieter.

Das heißt, zunächst ein­mal wur­de ich Bau­herr. Zwei Jah­re dau­er­te die Sanie­rung. Ich lern­te viel über Ver­trä­ge, auf­stei­gen­de Näs­se in Kel­ler­räu­men, Fas­sa­den­däm­mung und Kom­mu­ni­ka­ti­on mit Ber­li­ner Behör­den. Zwi­schen­durch wären wir zwei­mal fast plei­te­ge­gan­gen, gab es eine Über­schwem­mung, einen Rat­ten­be­fall und eine Kre­dit­kün­di­gung. Und trotz­dem ging es immer wei­ter, haben wir es wirk­lich geschafft.

Spä­ter wur­de es ruhi­ger, aber nicht unbe­dingt leich­ter, weil immer Geld fehl­te. Das Wort „Gewinn“ ken­ne ich lei­der nur vom Hören­sa­gen, bis heu­te geht es vor allem dar­um, die Ver­lus­te klein zu hal­ten. War­um ich das erzäh­le? Weil ich das Gefühl habe, dass in Ber­lin gera­de ein Mons­ter erschaf­fen wird, das es so gar nicht gibt. Die­ses Mons­ter ist der Ver­mie­ter, ein abge­feim­ter Gesel­le, der in Saus und Braus lebt, weil er sei­ne Mie­ter aus­quetscht wie kuba­ni­sche Zitro­nen. Ich den­ke aber, der typi­sche deut­sche Klein­ver­mie­ter ist eher so ein Typ wie ich, er kommt ganz gut klar, aber wenn mal gleich­zei­tig der Fahr­stuhl kaputt­geht und der Hei­zungs­kes­sel platzt, dann wird es finan­zi­ell eng. Sech­zig Pro­zent der Woh­nun­gen in Deutsch­land gehö­ren Klein­ver­mie­tern. Klar wer­den da auch ein paar Fies­lin­ge dabei sein, aber ich wür­de behaup­ten, die gro­ße Mehr­heit besteht aus ganz ordent­li­chen Menschen.

Die Poli­tik in Ber­lin hat ver­sagt – der Mie­ten­de­ckel ist auch kei­ne Lösung

Als ich Ver­mie­ter wur­de, war die Lage in Ber­lin eine kom­plett ande­re als heu­te: Vie­le Woh­nun­gen stan­den leer, die Miet­prei­se waren im Kel­ler, kaum einer hat­te Lust, die maro­den Häu­ser zu sanie­ren. Ich soll­te erwäh­nen, dass es der Ber­li­ner Senat war, der uns damals das Haus ver­kauf­te. Tau­sen­de lan­des­ei­ge­ne Woh­nun­gen wur­den zu der Zeit ver­ramscht. „Wir brau­chen die Bruch­bu­den nicht mehr, sol­len sich doch pri­va­te Ver­mie­ter dar­um küm­mern!“, rief der von der SPD geführ­te Senat. Heu­te ruft ein ande­rer von der SPD geführ­te Senat: „Wir brau­chen mehr preis­wer­ten Wohn­raum! Und schuld an allem sind die pri­va­ten Vermieter!“

Weil die Poli­tik so kläg­lich ver­sagt hat, ließ sie sich einen schö­nen Begriff ein­fal­len. Mie­ten­de­ckel. Klingt toll, oder? Dabei ist es der reins­te Popu­lis­mus, sagt sogar der Chef des Ber­li­ner Mie­ter­ver­eins. Gemacht wird es trotz­dem, weil man ja irgend­et­was machen muss. Es nervt mich, wenn kom­ple­xe Pro­ble­me so mani­pu­la­tiv ver­ein­facht wer­den. Das ist ja nicht nur beim Woh­nen so, auch beim Kli­ma­wan­del, beim Ver­kehr, der Ernäh­rung, den Geschlech­ter­ver­hält­nis­sen. Der Popu­lis­mus von links und rechts inter­es­siert sich nicht für die Wahr­heit, er sucht nur Sün­den­bö­cke. Wei­ße Män­ner, Mos­lems, Auto­fah­rer, Juden, Lang­stre­cken­flie­ger, Flücht­lin­ge, Fleisch­esser, Ost­deut­sche – sie alle sind an irgend­et­was schuld.

Lei­der bin ich in viel­fa­cher Hin­sicht betrof­fen. Als wei­ßer, ost­deut­scher, auto­fah­ren­der, flie­gen­der, fleisch­essen­der, ver­mie­ten­der Mann bin ich so eine Art Teu­fels­ge­stalt des 21. Jahr­hun­derts gewor­den. Und wer weiß, was noch alles dazukommt.

01.07.2019 – Maxim Leo