Gera­de in die­sen Zei­ten ist es wich­tig, einen treu­en Beglei­ter zu haben. Einen, der da ist, auch wenn es schwie­rig wird. Mein alter, schwar­zer Vol­vo ist so ein Beglei­ter. (Wobei ich mich gera­de fra­ge, ob man die Auto­far­be über­haupt noch erwäh­nen darf. Zumin­dest soll­te ich anmer­ken, dass es nicht mei­ne Absicht ist, Men­schen mit zum Bei­spiel sil­ber­grau­en Autos aus­zu­schlie­ßen oder gar zu dis­kri­mi­nie­ren. Nicht mal Men­schen mit mint­grü­nen Autos, nur damit das klar ist.)

Mein Vol­vo jeden­falls hat mehr als 260.000 Kilo­me­ter auf dem Buckel, in Men­schen­jah­ren gerech­net wäre er ver­mut­lich so um die neun­zig. Wären auch Autos von der Pan­de­mie bedroht, dann könn­te ich ihn jetzt sogar imp­fen las­sen. Aber mein treu­er Knap­pe hat kein Coro­na, er hat Dros­sel­klap­pe, das ist ein recht gän­gi­ges Auto-Lei­den, so eine Art Band­schei­ben­vor­fall für Vol­vos. Die Dros­sel­klap­pe sitzt unter dem Motor­block und regelt die Luft­zu­fuhr. Das mit der Rege­lung erle­digt ein klei­ner Motor, der über ein Plas­tik­pleu­el mit der Dros­sel­klap­pe ver­bun­den ist. (Sor­ry für die tech­ni­schen Details, aber sie sind wich­tig für die Geschich­te, wie der geneig­te Leser sogleich sehen wird.) Denn die­ses win­zi­ge Plas­tik­pleu­el war geris­sen, alles ande­re (der klei­ne Motor, die Dros­sel­klap­pe) funk­tio­nier­ten tadel­los. « Tja, kann man nichts machen », sag­te der Werk­statt­meis­ter, dem ich mein Auto zur Inspek­ti­on gebracht hat­te, « müs­sen wir kom­plett tau­schen, kos­tet 1240 Euro. »

Seit­dem ich Auto­be­sit­zer bin, gebe ich Unmen­gen von Geld für Din­ge aus, von deren Exis­tenz ich bis zum Scha­den­fall noch nie gehört habe. Außer­dem scheint es ein Auto­tei­le-Gesetz zu geben, dem­zu­fol­ge die Tei­le mit den räs­tel­haf­tes­ten Namen am meis­ten kos­ten. Ich hat­te zum Bei­spiel mal recht geld­in­ten­si­ve Pro­ble­me mit der Sprung­son­de, und ein Lenk­stock­schal­ter hät­te mich in jun­gen Jah­ren bei­na­he in den Ruin getrie­ben. Jetzt also die Dros­sel­klap­pe, ich mei­ne, das klingt doch erst mal ziem­lich posi­tiv, nach einem klei­nen, ver­spiel­ten Vögel­chen. Ich frag­te den Werk­statt­meis­ter, war­um man denn nicht ein­fach nur das Plas­tik­pleu­el tau­schen kann. Er sah mich an wie ein Bri­ga­de­ge­ne­ral einen Unge­dien­ten und sag­te : « Iss eben so ! »

Mit einem alten Auto ist es wie mit einem alten Men­schen, die nächs­te Repa­ra­tur kann immer auch die letz­te sein. Obwohl ich sehr an mei­nem Vol­vo hän­ge, darf ich den Umstand nicht völ­lig igno­rie­ren, dass der alte Kna­be nur noch um die 3000 Euro wert ist. Ich weiß, das klingt ein wenig kalt und berech­nend, aber ich lebe im Kapi­ta­lis­mus und muss zwei Töch­ter, eine Frau und einen gefrä­ßi­gen Kater durch­brin­gen. Also recher­chier­te ich erst mal im Inter­net und stieß im Vol­vo-Forum auf einen Dros­sel­klap­pen-Chat­room, eine Art Selbst­hil­fe­grup­pe für Plas­tik­pleu­el-Opfer. Ich erfuhr ers­tens, dass ich nicht allein bin. Zwei­tens schien die Mehr­heit der Dis­ku­tan­ten der Mei­nung zu sein, Vol­vo hät­te das Plas­tik­pleu­el nur des­halb ein­ge­baut, damit es mög­lichst schnell kaputt geht.

Drit­tens, und das war die bes­te Nach­richt, wur­de emp­foh­len, die Dros­sel­klap­pe mit­hil­fe eines alten Lap­pens zu blo­ckie­ren. Der Benut­zer « Alter Schwe­de » schrieb, er habe die­se Behand­lungs­me­tho­de vor drei Jah­ren ange­wen­det und habe seit­dem kei­ner­lei Pro­ble­me mehr.

Ich rief den Werk­statt­meis­ter an, erzähl­te vom Lap­pen-Trick des Alten Schwe­den und frag­te, was er davon hielt. 
« Fra­gen sie mich als Werk­statt­meis­ter oder als Mensch ? »
« Äh, als Mensch. »
« Na ja, kann man machen. »

Also knüll­te ich eine Coro­na-Mas­ke zusam­men und stopf­te sie unter den Motor­block. Und was soll ich sagen, mein ble­cher­ner Kum­pan schnurrt seit­dem wie­der wie ein Kätz­chen. Und ich bin auch ein wenig stolz auf mich. Als Freund, als Vol­vo-Kun­de. Aber auch als Mensch.

28.12.2020 – Maxim Leo