Ber­lin – Stel­len sie sich vor: In Ber­lin-Wei­ßen­see ent­gleist eine Stra­ßen­bahn, weil der Fah­rer ein Hal­te­si­gnal über­sieht. Die Stra­ßen­bahn kol­li­diert mit zwei ent­ge­gen­kom­men­den Autos, zwei Men­schen ster­ben, sie­ben wer­den schwer ver­letzt. Stel­len sie sich vor: In Ber­lin-Schö­ne­berg fährt ein wei­ßer VW Polo mit 54 Stun­den­ki­lo­me­tern unge­bremst in ein Haus, weil die Fah­re­rin einen Herz­in­farkt erlei­det. Die zwei Fahr­zeug­insas­sen und zwei Pas­san­ten kom­men ums Leben.

Stel­len sie sich vor, es wür­de nun wegen die­ser tra­gi­schen Unfäl­le eine hef­ti­ge Debat­te dar­über aus­bre­chen, ob man Stra­ßen­bah­nen und wei­ße VW Polos gene­rell ver­bie­ten soll­te. Oder ob es nicht zumin­dest ange­ra­ten sei, die Zahl der Stra­ßen­bah­nen und der wei­ßen VW Polos in der Stadt streng zu regle­men­tie­ren. Sie wür­den das selt­sam fin­den? Hys­te­risch? Kom­plett bescheu­ert? Sie wür­den sich fra­gen, ob Leu­te, die sol­che Debat­ten anzet­teln, noch alle Lat­ten am Zaun haben?

Nun, genau­so ging es mir, als ich von dem tra­gi­schen Unfall in der Inva­li­den­stra­ße hör­te. Ein Por­sche-SUV kam von der Fahr­bahn ab und ras­te in eine Grup­pe von Pas­san­ten. Vier Men­schen star­ben noch am Unfall­ort, auch ein drei­jäh­ri­ger Jun­ge und sei­ne Großmutter.

Nur Stun­den spä­ter, als über die Ursa­chen des Unfalls noch über­haupt nichts bekannt war, begann die­se selt­sa­me, hys­te­ri­sche, kom­plett bescheu­er­te Debat­te. Der Grü­nen-Poli­ti­ker Ste­phan von Das­sel, Bezirks­bür­ger­meis­ter von Mit­te, sag­te, sol­che „pan­zer­ähn­li­chen“ Autos hät­ten in der Stadt nichts ver­lo­ren. Ein ande­rer Grü­ner, Flo­ri­an Schmidt, Pla­nungs­stadt­rat in Kreuz­berg, sieht in dem Unfall „Sym­bol­cha­rak­ter“. Er sag­te, die SUVs hät­ten zu einer „Auto­kul­tur des Ich, Ich, Ich“ geführt. Die­se Wagen müss­ten sofort aus dem öffent­li­chen Raum ent­fernt wer­den. Ich fin­de: Sol­che Poli­ti­ker müss­ten sofort aus dem öffent­li­chen Raum ent­fernt wer­den. Sie sind ver­damm­te Popu­lis­ten, die ein mensch­li­ches Dra­ma benut­zen, um ihre poli­ti­schen For­de­run­gen voranzubringen.

Der Por­sche-Fah­rer als Macho-Schwein

Denn so legi­tim es ist, sich gegen die wach­sen­de Zahl der SUVs ein­zu­set­zen, die Platz weg­neh­men, viel Sprit ver­brau­chen und meis­tens ziem­lich lächer­lich aus­se­hen, so dem­ago­gisch ist es, die SUV-Fra­ge an die­sem Unglück fest­zu­ma­chen. Zumal Exper­ten erklä­ren, es gäbe kei­ne Hin­wei­se dafür, dass der Unfall mit einem ande­ren Auto anders ver­lau­fen wäre.

Die Tak­tik kennt man von der AfD, die nach einem Ver­ge­wal­ti­gungs­vor­wurf gegen einen Asyl­be­wer­ber die Abschaf­fung des Asyl­rechts for­dert. Eines der vie­len Feind­bil­der der grü­nen Ord­nungs­hü­ter ist der Por­sche-Fah­rer, der sich allein durch die Wahl sei­nes Auto­mo­bils ins Abseits manö­vriert, ja ver­mut­lich sogar den Boden der frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Grund­ord­nung ver­lässt. Der Por­sche-Fah­rer ist – ganz klar – ein Ego­ist, ein Igno­rant, ein Macho-Schwein.

Inter­es­sant ist, dass es vor allem angeb­lich tole­ran­te Men­schen sind, die sich zu Wäch­tern über Gut und Böse auf­spie­len, die am liebs­ten alles ver­bie­ten wür­den, was ihrem Lebens­ge­fühl wider­spricht: Bücher, die zu rechts sind. Wör­ter, die zu männ­lich sind. Flü­ge, die zu lang sind. Fleisch, das nicht bio ist. Als Ret­ter der Mensch­heit hal­ten sie sich für berech­tigt, die Frei­heit der ande­ren ein­zu­schrän­ken. Nach dem Mot­to: Wer nicht von selbst kapiert, was wir ver­nünf­tig fin­den, den müs­sen wir eben zwingen.

Ganz ehr­lich, lie­ber ver­glü­he ich in einem Son­nen­sturm, als in einer Öko-Dik­ta­tur zu leben, in der die feuch­ten Träu­me von grü­nen Stu­di­en­rä­tIn­nen zum Grund­ge­setz wer­den. Die­ser Welt­un­ter­gangs-Alar­mis­mus, die­se stren­ge Pre­digt von Ver­bot und Ver­zicht, die­ser mora­lin­saure Geruch von unbe­han­del­ter Baum­wol­le aus Ecua­dor, ruft in mir vor allem eines her­vor: den Wunsch, mir viel­leicht irgend­wann einen Por­sche zu kaufen.

15.09.2019 – Maxim Leo