Mein Lieblingssatz dieser Vorweihnachtszeit stammt von Armin Laschet, dem Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen. Er sagte: „Es wird wohl das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt haben.” Wobei ich denke, wenn Armin Laschet zufällig vor siebzehn Jahren unser Weihnachtsgast gewesen wäre, dann hätte er diesen Satz nicht gesagt. Das Weihnachtsfest 2003 (in unserer Familie auch „das Horror-Fest” genannt) dürfte härtemäßig kaum zu überbieten sein. Mehrere Faktoren spielten hierbei eine Rolle. Erstens: Die Kinder waren noch sehr klein und heulten die ganze Zeit. Ob vor Glück oder Überforderung oder aus Protest gegen den kapitalistischen Massenkonsum, das ließ sich letztlich nicht ergründen. Zweitens: Als ich nach viereinhalb Stunden Garzeit die Gans aus dem Backofen holte, bemerkte ich, dass der Ofen gar nicht eingeschaltet war. Drittens: Meine Schwiegereltern waren zu Besuch. Viertens: die Heizung war kaputt. Glücklicherweise gab es ein Mittel, das gegen alle diese Widrigkeiten half: Alkohol. Möglichst viel. Möglichst schnell. Damit, das gehört zu meiner Lebenserfahrung, gelingt eigentlich jedes Fest.
Aber das traut sich natürlich kein Politiker zu sagen. Wie schön und befreiend wäre es, wenn zum Beispiel Angela Merkel zum Thema dunkler Winter, Corona und Weihnachten verkünden würde: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, einige von ihnen scheinen, entgegen jeder Vernunft, immer noch zu denken, es wäre nicht nötig, einen ordentlichen Pegel zu halten. Immer noch verbreitet ist die Ansicht, ein Bierchen hier und ein Körnchen dort würden genügen. Aber das ist ein Trugschluss! Bedenken Sie: Mit ihrem Alkoholkonsum schützen Sie nicht nur sich selbst, sondern auch andere, die vielleicht nicht so viel trinken können. Weil sie alt oder krank sind. Es gilt heute mehr denn je, der weise Spruch unserer Vorfahren: Wer Liebe mag und Einigkeit, der trinkt auch mal ne Kleinigkeit.”
Ich persönlich sehe dem diesjährigen Weihnachtsfest voller Freude entgegen, was nicht nur mit meinen beträchtlichen Alkoholreserven, sondern vor allem mit der Zahl fünf zu tun hat. Maximal fünf Menschen dürfen laut den derzeit gültigen Corona-Richtlinien an den Weihnachtstagen in Berlin in einem geschlossenen Raum zusammenkommen. Da meine Kernfamilie bereits aus vier Personen besteht, haben wir also gerade mal noch Platz für eine einzige Person. Meine Schwiegereltern und auch meine Eltern sind damit schon mal raus, was ich natürlich sehr schade finde. Auch mein Bruder mit Frau und Kleinkindern darf leider nicht zu uns kommen. Tja, kann man nichts machen. Ich sage immer: Safety first.
Theoretisch könnte der pickelige Freund einer meiner Töchter mit uns feiern. Aber wäre das nicht wahnsinnig ungerecht dem anderen Freund der anderen Tochter gegenüber? Ich finde, gerade zu Weihnachten sollten Werte wie Gerechtigkeit nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben.
Und was ist mit der Nächstenliebe? Vor ein paar Wochen ist eine Etage unter uns eine attraktive, alleinstehende Frau eingezogen. Ich weiß nicht, wie es ihnen, liebe Leser, geht, aber ich könnte das Weihnachtsfest nicht genießen, wenn ich wüsste, dass nur wenige Meter von uns entfernt ein Mensch einsam ist.
Und was ist mit dem Weihnachtsmann, der bei uns ja immer die Geschenke bringt? Ist der Weihnachtsmann als eine Person im Sinne der Corona-Schutzverordnung zu betrachten?
Auf jeden Fall stehen die Chancen derzeit nicht schlecht, dass wir dieses Jahr im wunderbar kleinen Rahmen feiern dürfen. Jeden Tag sehe ich mir die Infektionszahlen an und murmele ein kleines Stoßgebet:
Lieber, guter Weihnachtsmann / Mach, dass ich mit meinen Mädels allein sein kann.
15.12.2020 – Maxim Leo