Ich bekam eine Whats­App-Nach­richt mei­ner Toch­ter Nad­ja. Sie schrieb: „Zwei plus in der Mathe-Klau­sur“ (Smi­ley mit Son­nen­bril­le, drei blaue Trop­fen). „Habe nur einen blö­den Feh­ler gemacht“ (Affe, der sich die Augen zuhält, grin­sen­der Kack­hau­fen). Aber na ja … (Gel­bes Herz plus grü­nes Herz) Bis spä­ter (Sprech­bla­se).“

Ich frag­te Nad­ja, was die­se gan­zen Zei­chen und Bil­der bedeu­ten. „Emo­jis, Papa!“, sag­te Nad­ja. Dann über­setz­te sie. Ich erfuhr, dass der Smi­ley mit Son­nen­bril­le für etwas Coo­les ste­he. Die drei blau­en Trop­fen bedeu­ten Schweiß bezie­hungs­wei­se Anstren­gung. Der Affe, der sich die Augen zuhält, drü­cke Scham, Fas­sungs­lo­sig­keit und Frus­tra­ti­on aus. Der grin­sen­de Kack­hau­fen bedeu­te: Was für eine Schei­ße! Das gel­be Herz ste­he für Opti­mis­mus, das grü­ne Herz für Hoff­nung und die Sprech­bla­se bedeu­te: Wir reden spä­ter über alles. „Ist doch nicht so schwer, oder?“, sag­te Nad­ja und sah mich an wie einen lern­ge­stör­ten Grundschüler.

Übri­gens: Das Saar­land hat jetzt eige­ne Emojis!

Nad­ja gab mir auch noch einen Rat mit auf den Weg. Sie sag­te, ich sol­le am bes­ten gar kei­ne Emo­jis benut­zen, wenn ich nicht abso­lut sicher sei, was sie bedeuten.

Ich dach­te: Na, so kom­pli­ziert wird das ja wohl nicht sein. Am nächs­ten Tag ant­wor­te­te ich auf die Whats­App-Nach­richt einer Kol­le­gin, die schrieb, sie habe gera­de einen grip­pa­len Infekt. Ich schick­te ihr in Anspie­lung auf ihre ver­stopf­ten Atem­we­ge einen Affen, der sich die Nase zuhält, dazu einen fieb­rig wir­ken­den Smi­ley mit gro­ßen Augen und roten Wan­gen und als Mut­ma­cher ein lila­far­be­nes Herz.

Am Abend zeig­te ich Nad­ja stolz mei­ne ers­te Emo­ji-Nach­richt. Sie blick­te mich scho­ckiert an. „Papa, du hast die­ser Frau geschrie­ben: Ich muss gleich kot­zen. Die­se gan­ze Situa­ti­on ist mir sehr unan­ge­nehm. Aber ich wür­de ger­ne Sex mit dir haben.“

Ich hoff­te instän­dig, mei­ne Kol­le­gin möge Emo­ji-tech­nisch ähn­lich inkom­pe­tent sein wie ich. Und ich beschloss, Nad­jas Rat zu fol­gen und mich wei­ter­zu­bil­den. Im Inter­net fand ich ein Emo­ji-Wör­ter­buch, ich tauch­te ein in die kom­ple­xen Bedeu­tungs­wel­ten die­ser auf den ers­ten Blick so naiv daher­kom­men­den Zei­chen­spra­che. Nach ein paar Stun­den wur­de mir klar, wie facet­ten­reich das Emo­jisch sein kann.

Wie in jeder Kul­tur­spra­che exis­tiert eine abge­speck­te Vari­an­te, eine Art Slang, der sich auf etwa zehn Sym­bo­le beschränkt, mit denen man die Grund­ge­füh­le des Men­schen aus­drü­cken kann. Und es gibt das majes­tä­ti­sche Hoch-Emo­jisch, das mit etwa vier­tau­send Schrift­zei­chen sowohl das Latei­ni­sche als auch das Alt­grie­chi­sche ziem­lich blass aus­se­hen lässt.

Ein­la­dung zum Blowjob

Neh­men wir zum Bei­spiel den Satz von Kier­ke­gaard: „Das Gegen­wär­ti­ge ist das Ewi­ge, oder rich­ti­ger, das Ewi­ge ist das Gegen­wär­ti­ge, und das Gegen­wär­ti­ge ist das Erfüll­te.“ Ins Hoch-Emo­ji­sche über­setzt heißt das: Schnee­mann, drei Trop­fen, drei Trop­fen, Schnee­mann, Regen­schirm, Zie­gen­bock, Tanne.

Ich weiß, das mag dem einen oder ande­ren nicht sofort ein­leuch­ten, aber ich schwö­re, man ver­steht es sofort, wenn man sich wie ich seit drei Wochen mit dem Emo­ji-Wör­ter­buch beschäf­tigt. Ich bin auch, glau­be ich, einer der ers­ten Men­schen, der flie­ßend Emo­jisch spricht. Ich sage mor­gens zu mei­ner Frau: „Tul­pe, Zun­gen-Emo­ji, Rake­te, Schwei­ne­kopf“. Und sie macht mir pron­to einen lecke­ren Cap­puc­ci­no mit Sojamilch.

Es kommt übri­gens sehr auf den Kon­text an, was ein Emo­ji bedeu­tet. Es gibt zum Bei­spiel Obst-Emo­jis, die von Ein­ge­weih­ten ger­ne beim Dir­ty Talk ver­wen­det wer­den. Falls Sie je eine Nach­richt bekom­men, in der eine Auber­gi­ne und ein Smi­ley mit erstaun­tem Blick und offe­nem Mund vor­kom­men, könn­te es sich um eine recht direk­te Ein­la­dung zu einem Blo­wjob han­deln. Beten­de Hän­de und eine Bana­ne hin­ge­gen gel­ten als Auf­for­de­rung zum Sex in der Missionarsstellung.

Ich habe jetzt für Sie, lie­be Leser, ein klei­nes Wochen­end­rät­sel: Smi­ley mit Herz­au­gen, Fuß­ab­drü­cke, Poli­zist, Meer­jung­frau. Schi­cken Sie ihre Lösun­gen an den Leser­ser­vice der Ber­li­ner Zei­tung und gewin­nen Sie einen Emo­jisch-Kurs unter mei­ner Lei­tung. In die­sem Sin­ne wün­sche ich: Pfir­sich, Regen­schirm, Fuchs!

18.03.2018 – Maxim Leo