Kaum jemand weiß, dass Engelbert Lütke Daldrup, Chef des Flughafens BER, ein sehr persönliches Tagebuch schreibt. Wirkt er bei öffentlichen Auftritten zuweilen zugeknöpft, öffnet er hier sein großes Raumplaner-Herz. Im Folgenden die Notizen Lütke Daldrups aus dieser Woche, er hat sie auf dem Flughafen-Klo liegengelassen, wo sie von einer Putzfrau gefunden wurden, die als verdeckte Ermittlerin für die Berliner Zeitung arbeitet:
Montag:
Liebes Tagebuch, ich war jetzt seit ewigen Zeiten mal wieder auf der Baustelle. Der Flughafen sah sehr schön weihnachtlich aus, eine dünne Schneedecke lag wie ein Puderzuckerteppich auf dem Hauptpier. Und eine Ruhe hier, herrlich! Außer dem Wachschützer Karl-Heinz und seinem dreibeinigen Schäferhund war keiner da. Karl-Heinz machte mir erst mal einen Glühwein, wir lümmelten uns am Gate 19 in die Massagesessel und schauten lange schweigend auf das verschneite Vorfeld. Ich verstehe gar nicht, warum die Leute so Probleme mit dem Entspannen haben. Bevor ich nach Hause fuhr, schlenderte ich noch über das Rollfeld. Auf der Grünfläche vor dem Südpier fand ich ein vereistes vierblättriges Kleeblatt. Da musste ich beinahe weinen.
Dienstag:
Schon vor zehn rief Michael Müller an. Er war mal wieder ganz schön aufgeregt, fragte irgendwas wegen eines Eröffnungstermins. Ich wusste erst gar nicht, wovon er spricht, aber dann fiel es mir zum Glück wieder ein. Ich soll da ja am Freitag was zu sagen, sind alle schon mächtig aufgeregt, was ich echt lustig finde. Die glauben da wirklich noch dran. Ich sagte: „Michael, Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.“ Müller sagte, wir dürften uns nicht noch mal vertun. Ich sagte: „Kommt Zeit, kommt Rat“, und versprach, die Sache kurzfristig zu klären.
Mittwoch:
War schon wieder auf der Baustelle, weil es Probleme mit den Abrissarbeiten im Untergeschoss gibt. Eigentlich soll der gesamte Bereich schon seit Wochen entkernt sein, damit wir dort im Februar die Paintball-Halle einbauen können. Der polnische Vorarbeiter sagte, sein weißrussischer Abnehmer für den Buntmetallschrott aus der Entrauchungsanlage sitze gerade im Gefängnis. Verdammte Globalisierung! Auch die Gepäckförderbänder im Erdgeschoss sind immer noch da, was mich echt wütend macht. Der technische Leiter, dieser … ach keine Ahnung, wie der heißt, hatte mir fest versprochen, dass die Kegelbahn vor meinem Geburtstag fertig wird.
Donnerstag:
In dieser Woche ist es wirklich wie verflixt, ich musste schon wieder zum Flughafen, obwohl ich eigentlich in Zeuthen die Weihnachtsgans abholen wollte, die meine Frau dort bestellt hat. Aber Karl-Heinz sagte, es sei dringend, und er hatte wie immer recht: Der Süßwarenautomat am Gate 5 ist kaputt. Ich habe das sofort mit dem Betreiber geklärt, der den Automaten reparierte und in Schacht vier ein paar Bountys nachlegte, weil er weiß, dass ich die mag. Dann rief wieder Müller an, die alte Nervbacke. Ich sagte: „Michael, ich bin gerade in einer Planungsbesprechung, ich rufe zurück.“ Ich fragte Karl-Heinz, was er meint. „Herbst 2020, klingt doch nicht schlecht, oder?“ Karl-Heinz schlug eine Partie Ching Chang Chong vor. Die Wahl fiel auf das Frühjahr 2021.
Freitag:
Schon morgens hatte ich richtig gute Laune. Meine Frau legte mir den hellbraunen Kordanzug raus, den ich noch von meiner Konfirmation habe. Kurz vor zehn rief Karl-Heinz an, er sagte, jetzt seien auch die Massagesessel kaputt. Die Pressekonferenz lief super. Viele Fragen zur Entrauchungsanlage. Natürlich haben sie auch nach dem Eröffnungstermin gefragt. Da hatte ich morgens beim Duschen noch eine gute Idee. Auf dem Deckel meines Duschgels stand: „Soft Opening“. Fand ich einen schönen Begriff, hat auch Müller gefallen. So, und jetzt ab ins Wochenende.
17.12.2017 – Maxim Leo