Letztes Wochenende war ich bei einer Party. Ich unterhielt mich mit zwei Frauen, die eine erzählte von ihrem Mann, der unbedingt noch ein Kind von ihr haben will, was sie aber wohl eher nicht will. Irgendwann sagte die Frau: „Also, versteht ihr, ich will mich da nicht festnageln lassen!“ Ich musste lachen, die beiden Frauen sahen mich verständnislos an. Ich sagte: „Tut mir leid, aber ich fand das gerade lustig, wegen festnageln… und, na ihr wisst schon…“ Die beiden betrachteten mich angewidert, die eine sagte: „Genau diese Sprüche sind es, die so nerven!“
Das hat mich eingeschüchtert. Ich fragte meine Frau, wie sie die Situation bewertet. Sie sagte: „Das ist eben dein blöder Macho-Humor, da musst du aufpassen, die Zeiten ändern sich.“ Ich fragte meine Töchter. Die sagten: „Ehrlich, Papa, du bist so peinlich!“
Na ja, seitdem bin ich noch mehr eingeschüchtert. Ich weiß nicht mehr, was man sagen darf und was nicht. Wo endet der Witz? Wo beginnt die sexuelle Belästigung? Jeden Tag werden neue Sexismus-Täter überführt, jeden Tag stehen mehr Frauen auf und rufen: me too! Und ich finde das natürlich alles total richtig und wichtig. Und gleichzeitig habe ich jetzt auch manchmal Angst davor, dass irgendwas über mich herauskommt. Obwohl ich mir, glaube ich, nichts vorzuwerfen habe, also nichts Schlimmes jedenfalls. Gut, es ist vorgekommen, dass ich Kollegen in der Zeitungsredaktion morgens mit den Worten: „Hallo, meine kleinen Rammelmäuse“, begrüßte. Wobei ich zu meiner Verteidigung sagen muss, dass ich Männer und Frauen so nannte, weshalb man mich, denke ich, nicht des Sexismus beschuldigen dürfte.
Ich bin auch kein Grapscher, eher ein Zögerer. Ich weiß nicht, wie oft ich erst Jahre später kapiert habe, dass eine Frau etwas von mir wollte. Einmal, mit Anfang zwanzig, war ich auf dem Geburtstag einer wunderschönen Frau eingeladen. Irgendwann fragte die Frau, ob ich mit ihr mal auf das Dach steigen wolle, der Blick sei fantastisch. Wir gingen also aufs Dach und standen in der warmen Nachtluft, und ich fand den Blick nicht besonders. Aber ich wollte höflich sein und sagte: „Sehr schöner Blick!“ Und dann gingen wir wieder hinunter. Noch heute könnte ich mich ohrfeigen für meine Dummheit.
Werde ich jetzt als Sexismus-Monster enttarnt?
Andererseits erspart mir meine Zögerlichkeit wahrscheinlich, dass ich eines Tages die Berliner Zeitung aufschlage, und da steht: „Kolumnist Maxim Leo als Sexismus-Monster enttarnt. Alle seine Texte wurden bereits aus dem Archiv gelöscht. Kollegen sagen, sie hätten es immer geahnt!“
Bleibt die Frage, wie man im Alltag mit dem Sexismus umgeht? Wie verhält sich ein korrekter Mann zum Beispiel beim Flirten? Im Berliner Kurier las ich: „Blicke sind sexistisch, wenn einzelne Körperteile fixiert werden.“ Da frage ich mich, wie denn der korrekte Mann entscheiden kann, ober er überhaupt mit einer Frau flirten will, wenn er ihren Körper nicht ansehen darf? Ich meine, wenn man dieses Prinzip wirklich leben wollte, dann wäre der einzige unsexistische Raum zum Flirten der Darkroom.
„Sie haben aber schöne Melonen!“
Es wird jetzt auch viel von unsexistischem Sex gesprochen. Aber wie geht das? Wenn man als Mann zum Beispiel vor dem Sexualakt ruft: „Soll ich es dir so richtig besorgen, du Luder?“, dann wäre das unter den heutigen Umständen vermutlich ein Fehler. Der korrekte Mann könnte sagen: „Oh kluges Wesen, wäre es für dich vorstellbar, wenn ich als Folge meiner Wertschätzung deiner ganzheitlichen Persönlichkeit mit meinem Penis in dich eindringe, wobei ich es auch im Augenblick möglicher Ekstase nie so weit kommen lassen werde, dich auf deinen Körper zu reduzieren!“
Übrigens, sogar im Gemüseladen ist die Lage schwieriger geworden. Man kann da als korrekter Mann nicht mehr einfach so reingehen und zu der Verkäuferin sagen: „Ich nehme die Stangensellerie.“ Oder: „Sie haben aber schöne Melonen!“ Ich würde empfehlen, nur noch auf die Produkte zu zeigen und „ein Kilo davon“, zu sagen. Wobei man sich von der Verkäuferin nicht provozieren lassen darf. Fragt sie: „Von der Stangensellerie?“ Dann nur den Blick senken und stumm nicken. Ist doch ganz einfach, oder?
19.11.2017 – Maxim Leo