In der Zei­tung stand, dass der neue Ber­li­ner Flug­ha­fen „womög­lich nie­mals“ eröff­nen wird. Ein Flug­ha­fen-Exper­te wur­de zitiert mit den Wor­ten: „Der seit vier Jah­ren betrie­be­ne Umbau der Brand­schutz­an­la­ge am BER wird die Inbe­trieb­nah­me des neu­en Flug­ha­fens verhindern.“

Ach, irgend­wie bin ich fast erleich­tert. Unfass­bar öde und depri­mie­rend waren ja immer die­se ange­kün­dig­ten Eröff­nungs­ter­mi­ne und die ewi­ge Fra­ge, ob der Ter­min „zu hal­ten sei“ oder nicht. In der Fol­ge wur­de die Eröff­nung vom Mai 2012 auf den 17. März 2013 ver­scho­ben. Von dort auf den 27. Okto­ber 2013. Anschlie­ßend wur­den die Eröff­nungs­ter­mi­ne immer vager. Vom „Jahr 2015“ war die Rede. Dann von 2016, was prä­zi­siert wur­de auf „Ende 2017“. Oder „spä­tes­tens 2018“.

Ich habe mir immer gewünscht, dass ein Regie­ren­der Bür­ger­meis­ter mal eine gro­ße, auf­rich­ti­ge Flug­ha­fen­re­de hält, in wel­cher der Schluss­satz vor­kommt: „Der neue Flug­ha­fen wird eröff­net an…einem Tag in der Zukunft. Ob es eine nahe oder fer­ne Zukunft ist, liegt in Got­tes Händen.“

Wenn es nun heißt, der neue Eröff­nungs­ter­min sei: „nie­mals“, dann ist das psy­cho­lo­gisch eigent­lich sehr geschickt. Die Erwar­tun­gen sin­ken. Auf null. Wird der Flug­ha­fen dann über­ra­schen­der­wei­se doch irgend­wann eröff­net, wer­den alle rufen: Ein Wunder!

Ich möch­te hier nun ein paar posi­ti­ve Flug­ha­fen­ge­dan­ken in die Kolum­ne ein­we­ben. Was ist eigent­lich so schlimm dar­an, wenn etwas nicht fer­tig wird? Soll­ten wir nicht auf­hö­ren in die­sen engen Kate­go­rien zu den­ken, wonach ein Flug­ha­fen unbe­dingt eröff­nen und „in Betrieb gehen“ muss?

Gehört es nicht zum Wesens­kern der Ber­li­ner Iden­ti­tät, dass in Ber­lin alles eine stän­di­ge Chan­ce ist, eine Mög­lich­keit, ein Viel­leicht? Und ist es nicht schön, an etwas zu glau­ben? Wir brau­chen doch das Uner­klär­li­che, das Mys­ti­sche! Die Reli­gi­on ver­schwin­det immer mehr aus unse­ren moder­nen Leben. Der Flug­ha­fen bringt die­ses Gefühl zurück in unse­re Herzen.

Vie­le Men­schen sagen nun: Ich glau­be aber nicht an den Flug­ha­fen! Er ist eine Schan­de für Ber­lin. Wir machen uns lächer­lich in der gan­zen Welt. Das ist furcht­ba­rer Unsinn. Der unfer­ti­ge Flug­ha­fen ist längst berühm­ter, als es ein fer­ti­ger jemals hät­te wer­den kön­nen. Selbst in Havan­na wur­de ich kürz­lich dar­auf ange­spro­chen, was denn nun eigent­lich mit dem Flug­ha­fen sei. Womög­lich gilt er im Aus­land schon als neu­es Ber­li­ner Wahr­zei­chen. Eine Art Gedächt­nis­kir­che im mär­ki­schen Sand. Oder als Attrak­ti­on wie die Kathe­dra­le Sagra­da Famí­lia in Bar­ce­lo­na. An der wird seit 1882 gebaut.

Wir soll­ten also Ruhe bewah­ren. Und mit den fan­tas­ti­schen Mög­lich­kei­ten spie­len. Stich­wort: Zwi­schen­nut­zung. In Ber­lin wird alles, was nicht funk­tio­niert, erst mal zwi­schen­ge­nutzt. Wir sind super Zwi­schen­nut­zer. DAS ist unse­re Stär­ke! Wer Lust auf End­nut­zung hat, der muss nach Mün­chen oder Ham­burg ziehen.

Wir soll­ten, im Sin­ne einer Ber­li­ner Zwi­schen­nut­zung, auf den Flug­ha­fen-Tou­ris­mus set­zen. Im Inne­ren des BER ver­steckt sich etwas Ein­ma­li­ges, eines der größ­ten Rät­sel der Mensch­heits­ge­schich­te. Es gab den Koloss von Rho­dos. Das ver­sun­ke­ne Atlan­tis. Die Hän­gen­den Gär­ten von Semi­ra­mis. Und es gibt: die Ent­rau­chungs­an­la­ge im Flug­ha­fen Ber­lin-Bran­den­burg. Seit Jah­ren wird ver­sucht, sie zu zäh­men. In der Pres­se heißt die Ent­rau­chungs­an­la­ge oft: „das Mons­ter“. Es sitzt im fins­te­ren Flug­ha­fen-Kel­ler, brüllt und faucht und möch­te nicht ent­rau­chen. Das Mons­ter hat bereits zwei Flug­ha­fen-Chefs ver­schlun­gen. Dar­un­ter Hart­mut Meh­dorn, der ja selbst eine Art Mons­ter ist.

Man muss das Ent­rau­chungs-Mons­ter jetzt inter­na­tio­nal und offen­siv ver­kau­fen. So wie Loch Ness. Mit Hotel­le­rie, Erleb­nis­park, Flug­schu­le, Rauch­mu­se­um. Dazu vier Mal im Jahr eine Inter­na­tio­na­le Inge­nieurs-Tagung, wo jeder an der bekann­tes­ten Ent­rau­chungs­an­la­ge der Welt her­um­schrau­ben darf. Gegen Gebühr.

Die Flug­ha­fen-Tou­ris­ten des BER könn­ten in Tegel lan­den. Dort gibt es den schöns­ten und prak­tischs­ten Flug­ha­fen der Welt. Zudem ist der Flug­ha­fen bereits eröff­net. Tegel ist die Zukunft! Das ist eigent­lich alles, was ich hier kurz mal sagen wollte.

01.05.2016 – Jochen-Mar­tin Gutsch