Gestern tat ich etwas Unerhörtes: Ich kaufte zwei Streuselschnecken und einen halben Liter Milch, setzte mich in unserem Park in die matte Herbstsonne und schlang innerhalb von zehn Minuten alles herunter. Oh Gott, war das schön!
Ich fühlte mich wie früher, als ich auf dem Weg von der Schule nach Hause beim Bäcker anhielt, um für 25 Pfennige ein großes Stück Streuselkuchen zu kaufen. Die Bäckersfrau gab mir manchmal ein Glas Milch dazu, „damit der Kuchen besser rutscht“, wie sie sagte.
Später habe ich mir sowohl das Kuchenessen als auch das Milchtrinken abgewöhnt. Beides galt als höchst ungesund, wegen des todbringenden Zuckers und der für den Menschen angeblich kaum verdaubaren Kuhmolke. Nun las ich allerdings vor ein paar Tagen in der Zeitung von einer neuen Ernährungsstudie, die alle diese Gewissheiten infrage stellt.
Zucker, so sagen renommierte Forscher aus Kanada, sei gar nicht so schlimm, wie man immer dachte. Er sei in Maßen sogar wichtig für den Stoffwechsel und die Darmflora. Ähnliches gilt für die gute, alte Kuhmilch, deren Genuss ja in ernährungsbewussten Großstadt-Milieus als Vorstufe zum Suizid betrachtet wird. Auch da geben die Forscher Entwarnung, Milch sei eines der hochwertigsten Proteine und bedenkenlos zu empfehlen.
Kaum ein Thema beschäftigt die Menschen so sehr wie Ernährung
Ich glaube, es gibt kaum einen anderen Forschungsbereich, in dem die Einsichten und Wahrheiten so stark schwanken wie in der Ernährungswissenschaft. Plötzlich erfährt man, dass der eben noch total gesunde Orangensaft dick macht, dass unser gutes Bio-Vollkornbrot den Magen reizt, dass bestimmte Gemüsesorten wegen ihrer Bitterstoffe nicht gänzlich ungefährlich sind. Sogar rotes Fleisch, das noch vor kurzem als krebserregend galt, soll neuesten Erkenntnissen zufolge völlig ungefährlich sein. Meine Lieblingsstudie kommt von der Berliner Charité. Die Forscher dort sagen, es sei im Grunde egal, was man isst, solange man damit normalgewichtig und gesund bleibt.
Das war der Moment, als ich zum Bäcker gerannt bin. Ich frage mich, warum man eigentlich so wenig über die Ernährung weiß?
Wie kann es sein, dass man die Dinge ständig neu betrachten muss? Und wie wird das weitergehen? Vermutlich werden wir irgendwann erfahren, dass Vitamine das eigentliche Teufelszeug sind, dass einem von Chia-Samen die Fußnägel ausfallen. Dass man die Salatsoße am besten mit Motorenöl zubereitet, weil alles andere komplett unverantwortlich wäre.
Kann man nicht einmal etwas feststellen, das dann auch ein bisschen Bestand hat? Ich meine, Ernährung ist doch kein Randthema, das niemanden interessiert. Es gibt kaum etwas, das die Menschen so sehr beschäftigt wie Essen und Verdauung. Der Blähbauch von der Beate, der Reizdarm vom Matthias, das sind doch Themen, mit denen man sich ganze Abende beschäftigen kann.
Hoher Verzehr von Milchfett schädigt das Herz und die Gefäße nicht
Ich persönlich war schon immer misstrauisch, wenn es um Glaubenssätze der Ernährung ging. Die einzige wirkliche Autorität in diesem Bereich war für mich meine Oma, die zu sagen pflegte: „Was dich nett ansieht, das kannst du auch essen.“ Ich finde, in diesem Satz steckt sehr viel Weisheit. Meine Oma konnte richtig ungehalten werden, wenn ich mir zum Beispiel ein Leberwurst-Brot schmierte und die Butter unter der Wurst vergaß. „Junge, die Wurst grault sich doch so alleine auf dem Brot“, sagte sie dann.
Zum Thema Butter gibt es übrigens eine Studie aus Schweden, die belegt, dass selbst ein hoher Verzehr von Milchfett das Herz und die Gefäße nicht schädigt. Margarine hingegen, lange als gesunde Butter-Alternative gepriesen, wird oft aus gehärteten Pflanzenfetten hergestellt, die den Anteil an ungesundem Cholesterin im Körper erhöhen. In diesem Sinne wünsche ich: Guten Appetit!
27.10.2019 – Maxim Leo