In der Zeitung las ich, dass die Stadt Hannover*In, eine „Empfehlung für eine geschlechtergerechte Verwaltungssprache“ herausgegeben hat. Die Empfehlung ist bindend. Sämtlicher Schriftverkehr der Behörde muss jetzt nach den neuen, geschlechtergerechten Regeln erfolgen.
Bekommen die Bewohner*Innen von Hannover*In künftig einen behördlichen Brief, werden sie nicht mehr mit „Herr“ oder „Frau“ angeredet. Stattdessen soll nur der „Vor- und Nachname“ genannt werden. Sehr geehrter Jochen Gutsch. Oder, das geht auch: Familie Gutsch.
Nach Möglichkeit soll auch das „sehr geehrter/geehrte“ vermieden werden. Besser sei das neutrale „Guten Tag“. Mich hat das zunächst irritiert. Weil ich dachte: Aber ich bin doch Herr Gutsch! Schon seit Ewigkeiten. Ist das nicht auch irgendwie diskriminierend, wenn man nicht als Mann angesprochen wird, sondern als geschlechtsloses Neutrum, obwohl man sich als Mann fühlt?
Da mir Leute ungeheuer auf die Nerven gehen, die sich von jedem Pups diskriminiert fühlen, fand ich es von mir nun aber überhaupt nicht gut, mich selbst diskriminiert zu fühlen. So wolltest du doch nie werden, liebes Jochen Gutsch!
Viele Regeln aus Hannover für geschlechtergerechte Sprache sind auch sehr hübsch. Das Wort „Rednerpult“ wird abgeschafft. Und ersetzt durch „Redepult“. Ein Pult das redet? Ähnlich ergeht es der „Rednerliste“. Sie wird zur „Redeliste“. Wenn man nun ganz leise ist, kann man sich die Redeliste ans Ohr halten, und dann hört man das Gerede der Redeliste. Murmelmurmel.
Als ich mich ja frage, ist: Gibt es wirklich Menschen, der*die ein großes Unwohlsein verspüren, an einem „Rednerpult“ zu reden. Menschen, die nun denken: Endlich hat diese unfassbare sprachliche Diskriminierung, dieses Unrecht ein Ende!
Ich fürchte: ja.
Der gute, alte Lehrer stirbt auch aus. Er wird zum „Lehrenden“. Da die behördliche Sprachänderung ja nur ein erster Entwicklungsschritt sein kann, ist es wahrscheinlich, dass es bald auch Tischlernde, Backende, Schlossernde, Klempnernde und Malernde geben wird. Ich freue mich auf den Satz: „Der Lehrende kaufte Brötchen beim Backenden, um die in der Wohnung fleißig malernden Malernden zu verköstigen.“ „Jeder/jede“ gibt es in Hannover auch nicht mehr. Daraus wird: alle. Aus „keiner“ wird „niemand“.
Gerne wäre ich ja dabei gewesen, als sie bei der*die Stadt Hannover zusammensaßen und für eine geschlechtergerechte Sprache kämpften. Tagelang, wochenlang. Vor allem eine Sache war besonders knifflig: Wie kann man das Gendersternchen lautmalerisch erkennbar machen? Wie soll man der*die Hannoveraner*in aussprechen?
Mithilfe einer „kurzen Atempause“! Beim Sternchen sollen die Behördenmitarbeiter*innen kurz die Luft anhalten. Besser wäre es natürlich gewesen, die Länge der Atempause behördlich festzulegen und die Mitarbeiter*innen mit kleinen Stoppuhren auszustatten. Schon um Klagen wegen Diskriminierung aufgrund „nicht geatmeten Gendersternchens“ vorzubeugen. Deshalb wird es Fortbildungen geben müssen an der Verwaltungshochschule Hannover. Thema: „Atmung, Atempausen und Gendersterchen im Rahmen städtischer Verwaltungsarbeit“.
Was ich Hannover vorwerfe, ist trotzdem eine gewisse Halbherzigkeit. Ein Beispiel: Vater und Mutter. Warum gibt es die noch? Besser wäre es doch, hier von „Elter“ zu reden. Oder „Elternteile“. Vaterland ist Elterland. Unsere Mutter Erde ist unsere Elter Erde. Sprachlich eleganter könnte es natürlich sein, die gewachsenen Wörter zu erhalten und sie nur geschlechtergerecht zu veredeln. Also: Vater*. Oder Vater*in. Oder der*die Mutter_!*innen.
Aber dann denke ich wieder: Man darf die Leute nicht auf dumme Gedanken bringen. Es geht ganz schnell! Was heute noch absurd klingt, ist morgen schon Realität. In unserer schönen deutschen Eltersprache.
03.02.2019 – Jochen-Martin Gutsch