Eines der selt­sams­ten Din­ge auf Got­tes schö­nem Erden­rund ist zwei­fel­los der Jung­ge­sel­len­ab­schied. Ein bemit­lei­dens­wer­ter Hei­rats­wil­li­ger steckt dann oft in einem Kos­tüm und muss die öffent­li­chen Nah­ver­kehrs­mit­tel durch­strei­fen, wo er von sei­nen „Freun­den“ gezwun­gen wird, ein Lied zu sin­gen und Apfel­korn zu trin­ken oder sich einer Dame auf den Schoß zu set­zen und zu mur­meln: „Ich will dich, du süßes Ding!“

Wenn ich so einen kos­tü­mier­ten Ex-Jung­ge­sel­len sehe, schaue ich barm­her­zig und den­ke: „Du bist ja so ein armes Schwein. Ich weiß nicht, was du hast, aber ich hof­fe, dass ich es nie krie­gen werde.“

Selt­sa­mer noch ist der Jung­ge­sel­lin­nen-Abschied. Eine Hor­de krei­schen­der Girls aus dem LOS-MOL-Umland, geklei­det in bedruck­ten T‑Shirts mit der Auf­schrift: „Bine, Mau­si, Mel­ly und Ute – FOREVER!“ fal­len auf der Stra­ße über Pas­san­ten her und wol­len Schnaps ver­kau­fen oder knut­schen. Sie sind voll wie zehn Matro­sen und wenn man Pech hat, hängt an ihren Küss­chen-Lip­pen getrock­ne­tes Erbrochenes.

Ram­bo mit Mariachi-Hut

Ich erzäh­le das alles, weil ein Freund hei­ra­ten möch­te. Irgend­je­mand hat­te dann die Idee: Wir machen einen Jung­ge­sel­len­ab­schied! Ich war es nicht.

Um das Aller­schlimms­te zu ver­hin­dern und die Wür­de des Bräu­ti­gams zu ach­ten, habe ich mich im Inter­net infor­miert. Anschei­nend gibt es eine gro­ße Jung­ge­sel­len­ab­schieds-Indus­trie. Man kann alles mög­li­che buchen, in allen mög­li­chen Städten.

Man kann zum Bei­spiel nach Prag fah­ren und dort das Ange­bot: „Bal­lern, Bier, Steaks und Strip­tease“ wahr­neh­men. „Wollt Ihr Euch wie Ram­bo füh­len und durch eine Samm­lung an 9‑Mil­li­me­ter-Hand­waf­fen bal­lern?“, ver­spricht der Kata­log. Oder Pan­zer­fah­ren. Anschlie­ßend fährt man in den Strip­club, wo die „sexy Poli­zis­tin“ war­tet oder die „sexy Piz­za­bo­tin“. Natür­lich ohne Pizza.

In Bra­tis­la­va wie­der­um kann man das Ange­bot „Schlamm­cat­chen“ buchen. In Bar­ce­lo­na „die Zwer­gen-Strip­show mit unse­rer Zwer­gen­strip­pe­rin“. Als ich das alles las, fühl­te ich mich als Mann tief ver­letzt und redu­ziert auf Alko­hol, Fleisch, Waf­fen und Strip­tease. Ich schüt­tel­te den Kopf ob die­ses plat­ten, alter­tüm­li­chen Män­ner­bil­des und rief mei­ne Freun­de an, denn auch sie wür­den den Kopf schüt­teln. „Geil, Pan­zer­fah­ren!“, rief der ers­te. „Oh Gott, ja! Schlamm­cat­chen!“, der Zwei­te. „Wenn wir noch was drauf­zah­len, kön­nen dann ALLE mit­ma­chen beim Schlamm­cat­chen?“, frag­te der Dritte.

Erbärm­lich und sturzbetrunken

Zuge­ge­ben: Schlamm­cat­chen ist viel mehr als nur zwei Frau­en in haut­engen Biki­nis, die sich im Schlamm räkeln. Es geht um Tech­nik, Wür­fe, Kon­di­ti­on, Schnell­kraft. Es ist ja ein rich­ti­ger Sport. Olym­pisch. Ich habe zu mei­nen Freun­den trotz­dem gesagt: Ent­schei­dend ist doch nicht, was wir wol­len. Son­dern was der Bräu­ti­gam will. Es ist doch SEIN Abend. Die Freun­de sag­ten: Blödsinn.

In den ver­gan­ge­nen Tagen haben wir Plä­ne geschmie­det. Ich glau­be, wir wis­sen alle, dass wir die Plä­ne nie umset­zen wer­den, aber dar­um geht es auch gar nicht. Wir sind mit­tel­al­te Ü40-Typen und haben Beru­fe, Fami­li­en, Ter­mi­ne, und wir schla­fen meist vor 23 Uhr vor dem Fern­se­her ein. Inso­fern tut es gut, mal von Hand­feu­er­waf­fen oder einem Zwer­gen-Strip­tease zu träu­men. Von irgend­et­was ande­rem als Routine.

Am Ende lan­den wir sowie­so in einer Bar, sturz­be­trun­ken und alters­me­lan­cho­lisch und schwö­ren uns, dass wir mal wie­der was Ver­rück­tes machen. So wie frü­her. Irgendwann.

Da das erbärm­lich ist, erbärm­li­cher als die Auf­trit­te der LOS-MOL-Girls, soll­ten wir nach Spa­ni­en fah­ren. Der Bräu­ti­gam hat einen ibe­ri­schen Migra­ti­ons­hin­ter­grund, und ich fin­de es wich­tig, damit sehr sen­si­bel umzu­ge­hen. Der Bräu­ti­gam wird, das ist der Plan, nur mit einem Mariachi-Hut beklei­det an einen Oli­ven­baum gebun­den. Jeder, der vor­bei kommt, darf ihm eine Oli­ve in den Po ste­cken. Für einen Euro. Spä­ter ver­trin­ken wir das Geld.
Aber die Wür­de des Bräu­ti­gams?!, fra­gen die Freun­de begeis­tert. Ja, scheiß drauf.

05.03.2017 – Jochen-Mar­tin Gutsch