Der Tes­to­ste­ron­spie­gel sinkt, Rücken und Po ver­wan­deln sich in eine dicht bewach­se­ne Step­pe: Unser Kolum­nist Maxim Leo sin­niert an sei­nem 50. Geburts­tag über das Älter­wer­den. (Ber­li­ner Zeitung)

Ber­lin – Ich schrei­be die­se Zei­len an mei­nem let­zen Tag als 49 Jah­re alter Mann. Mit letz­ter Tin­te sozu­sa­gen. Wobei man das natür­lich auch nicht dra­ma­ti­sie­ren darf. Ich fin­de, die Bedeu­tung des 50. Geburts­ta­ges wird meis­tens total über­trie­ben. Ich mei­ne, was ändert sich denn? Wer­de ich ein ande­rer Mensch sein, nur weil ich ein Jahr älter gewor­den bin? Ist das Alter nicht vor allem eine Fra­ge der inne­ren Haltung?

Nein, sag­te mei­ne Frau Cathe­ri­ne, die in letz­ter Zeit oft dar­auf hin­weist, dass sie deut­lich jün­ger sei als ich, nur weil sie erst Ende März ihren 50. Geburts­tag fei­ert. „Aber sieh es posi­tiv. Du musst jetzt nicht mehr so tun, als wärst du noch jung.“ Ver­mut­lich hat mei­ne Frau ein Pro­blem mit dem Älter­wer­den, das sie auf mich pro­ji­ziert. Ich weiß, das ist selt­sam, aber man­che Men­schen kom­men mit so was ein­fach nicht klar. Dabei ist es doch nur eine Zahl, zuge­ge­ben eine recht hohe, recht run­de Zahl. Aber ich habe gele­sen, die Lebens­zu­frie­den­heit neh­me mit 50 rapi­de zu, sie sei sogar oft höher als mit 30. „Wenn man als Best-Ager das Alter nicht als Bedro­hung sieht, dann lässt sich das Glück in unge­ahn­ter Grö­ße füh­len“, stand in einem Arti­kel mit der Über­schrift „Sil­ber­nes Haar, gol­de­ne Zeit“.

„Die bes­ten Jah­re lie­gen defi­ni­tiv hin­ter dir“

„Schwach­sinn“, sag­te mein Schwie­ger­va­ter, der gera­de 80 gewor­den ist. „Du musst nicht jeden Quatsch glau­ben, der in der Zei­tung steht. Sie nen­nen dich einen rei­fen Mann, was eine net­te Umschrei­bung dafür ist, dass die bes­ten Jah­re defi­ni­tiv hin­ter dir lie­gen.“ Ver­mut­lich hat auch mein Schwie­ger­va­ter ein Pro­blem mit dem Älter­wer­den. Aber ich kann ihn ver­ste­hen, 80 ist schon echt alt!

Dage­gen klingt 50 ja gera­de­zu jugend­lich. Außer­dem kann ich mein Leben jetzt noch aktiv gestal­ten. In der Apo­the­ken-Umschau las ich, wer mit 60 drei Stun­den wöchent­lich Aus­dau­er-Trai­ning betrei­be, des­sen kör­per­li­che Kon­sti­tu­ti­on sei ver­gleich­bar mit der eines untrai­nier­ten 30-Jäh­ri­gen. Wenn ich das jetzt mal auf mich umrech­ne, dann lebe ich momen­tan im Kör­per eines 20-Jäh­ri­gen. Und ange­nom­men, ich trai­nie­re nicht nur drei, son­dern, sagen wir, sechs Stun­den wöchent­lich, dann kom­me ich doch qua­si direkt wie­der in die Puber­tät. Was wie­der­um beweist, dass man eben doch immer nur so alt ist, wie man sich fühlt.

„Manch­mal glaubt man, Gott sei ein Sadist“

„Wenn die­ser Glau­be ihnen gut tut, dann glau­ben sie das ruhig“, mein­te mein Haut­arzt letz­te Woche. Kurz zuvor hat­te er einen brau­nen Punkt an mei­ner Schlä­fe ent­deckt. „Ein Schön­heits­fleck?“, frag­te ich. „Nein, eine Alters­war­ze, die wach­sen jetzt wie Pfif­fer­lin­ge nach dem Som­mer­re­gen.“ Dann hielt der Haut­arzt einen klei­nen Vor­trag über die fas­zi­nie­ren­den hor­mo­nel­len Ver­än­de­run­gen, die in einem Mann vor­ge­hen, wenn er 50 wird. Der sin­ken­de Tes­to­ste­ron-Spie­gel gestal­te nicht nur den Sexu­al­akt beschwer­li­cher, er sor­ge auch dafür, dass sich Rücken und Po in eine dicht bewach­se­ne Step­pe ver­wan­deln, in der die Alters­war­zen wie klei­ne Find­lin­ge aus dem Dickicht ragen. „Manch­mal glaubt man, Gott sei ein Sadist“, sag­te der Haut­arzt seufzend.

Man darf sich von so was natür­lich nicht ver­rückt machen las­sen. Ich mei­ne, ab wann ist man denn über­haupt alt? Da gehen doch die Mei­nun­gen aus­ein­an­der. In der Bri­git­te Woman las ich, man unter­schei­de mitt­ler­wei­le zwi­schen „jun­gen Alten“ und „alten Alten“. Das fin­de ich inter­es­sant, weil sich ja dann schon die Fra­ge stellt, ob ich als sprit­zi­ger Juni­or-Alter nicht in der Sum­me viel juve­ni­ler bin als zum Bei­spiel ein früh geal­ter­ter Student?

Was ich jetzt noch ler­nen muss ist, mein neu­es Alter aus­zu­spre­chen. „Wie alt wirst du eigent­lich?“, frag­te mich neu­lich eine Freun­din. Ich woll­te ant­wor­ten, aber ich konn­te nicht, die­se ver­ma­le­dei­te Zahl saß wie Ker­zen­wachs in mei­ner Keh­le fest. Viel­leicht soll­te ich es schritt­wei­se ange­hen, ich könn­te ja erst mal sagen: „Hal­lo, mein Name ist Maxim. Ich bin 49. Und ein bisschen.“

02.02.2020 – Maxim Leo